Also, jetzt sage ich Ihnen was. Mein Vater, der hatte immer Motorräder, seit seiner frühesten Jugend an. Archaische Teile sind das gewesen, voll technischer Schönheit, klar und ohne Firle-Fanze. Während des 2. Weltkriegs war es eine Rudge Ulster. Er, der schwarze Schlossergesell fuhr eine „Retsch“ - eine Rennmaschine, gebaut in Coventry, bis die Bomben der deutschen Wehrmacht 1940 die Fabrik in lauter Einzelteile, in Schutt und Asche gelegt, vom Erdboden verschwinden hat lassen. Mein Vater aber hat seine Retsch während der letzten Kriegsjahre ebenfalls in kleinste Einzelteile zerlegt, aber nicht mit Bombenkraft, sondern mit seinen geschickten Händen. Alles, jedes Teil: den Zylinder, die Kolben, den Vergaser, das Getriebe auseinandergebaut, bis zur letzten Schraube. Dann hat er alles sorgfältig gereinigt und geölt und in orangerotes Ölpapier gewickelt und seine Maschine vom Erdboden verschwinden lassen, in Kästen, in Schubläden, auf dem Speicher, drunten im Keller, im Bettkasten und im Abort. Warum er das gemacht hat? Damit die Braune Brut seine geliebte Retsch, die zwar als „Feindmaschine“ verachtet wurde, nicht in den allerletzten Kriegsverzweiflungen doch noch für die Wehrmacht beschlagnahmt wurde. Nach dem Krieg ist er dann am Küchentisch gesessen, hat die Zither zur Seite gestellt und nacheinander die Maschine im vierten Stock unseres Hauses im Schlachthofviertel zusammengebaut, auch einen Beiwagen hat er irgendwo aufgetrieben. Und dann, eines Tages, ist die Maschine dagestanden - blitz und blank, im vierten Stock. Und das weiß ich noch so genau, als ob es gestern gewesen wäre - wie die Maschine aus der Wohnung hinaus ins Treppenhaus bugsiert worden und von dort aus hinunter, die sechsundneunzig Stufen hinunter, an den immer noch mit Pappe vernagelten Fenstern vorbei, unter Hand- und Spanndiensten der Hausbewohner hinunter auf die Straße gewuchtet worden ist. Wo sie dann gestanden - unsere Retsch. Und im ganzen Viertel, in der ganzen Straße gab es nicht ein einziges Fahrzeug. Kein Auto, kein Motorrad, kein Fahrrad stand da. Nur unsere Retsch.

Und ich der kleine Hosenscheisser, habe meinem Vater auf die Finger geschaut, auf jede Schraube, auf jede Mutter und, auch darauf, wie man eine Retsch startet. Mit einem Fußhebel nämlich, den man herausklappen konnte und den man in einem genauen Moment, in einer genauen Stellung hat hinuntertreten müssen. Und man hat verdammt aufpassen müssen, auf den oberen Totpunkt, dass man den richtig erwischt hat. Denn eine Retsch ist eine Rennmanschine und als solche ein Luder, eine Matz. Und wenn so ein Luder nicht ganz genau, im richtigen Moment gestartet, also getreten wird, dann schlägt sie zurück und zwar so hinterfotzig, dass es dir den Haxen auseinanderbricht. Und ich der kleine Hosendrähdräh, hab eines Tages, als die ganz großen aus den Nachbarhäusern wieder einmal um unsere Retsch herumgestanden sind, der Bingieser Fitze, der Brenner Erich und sein Bruder der Brenner Franze und der Strobel Berte und der Aimer Maxe. Und dann haben sie gescheit dahergeredet aber ich hab nichts gesagt, denn ein Held muß wissen, wann er zu schweigen hat.....weiterKontakt_Wegbeschreibung_-_Motorrad_2.htmlKontakt_Wegbeschreibung_-_Motorrad_2.htmlshapeimage_1_link_0

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