Anton Kirchmair                       home             aktuell                      Werk           Ausstellung          Veranstaltung           Ankauf           Vita          Presse         Kontakt

 
Raimund hast Du geheissen, „Hanse“ oder „Nase“ haben wir Dich genannt. Warum - weiß ich nicht - doch! Eigentlich schon. Du hattest eine aussergewöhnliche Nase: besonders stark und wie ich jetzt sehe, besonders schön mit gespanntem Rücken, wie ein Römer vielleicht. Aber was wußten wir von den Römern. Du warst ein pfiifiges Kerlchen, trugst deinen Kopf freudig, ja triumphierend in die Höhe gereckt.

Aber du hast es nicht leicht gehabt. Obwohl Du oft versucht hast, es Dir leicht zu machen. Über dem Wirtshaus, dem „Thalkirchener Hof“ im zweiten Stock habt ihr gewohnt. Du, Dein Vater und Deine Mutter. Euere Fenster haben sowohl auf die Reiffenstuelstrasse, als auch auf dieThalkirchener Strasse hinunter geschaut.

Deine Eltern waren, wie viele andere Eltern
damals auch, selten zuhause. Manche Väter zerschossen oder noch in Sibirien. Die Mütter - Frauen der Trümmer - in den Ruinen. Untertags hat die alte Frau Meier auf Dich „aufgepasst“. Sie war vollkommen überfordert mit Dir. Du hast alles angestellt, alles, was man sich nur denken kann. Hast weiße Mäuse gezüchtet in der Wohnung der alten Kindsmagd. Am Anfang in Schuhschachteln, dann in einer Ritterburg und dann waren sie überall: weiße Mäuse, weiße Mäuse, überall weiße Mäuse. Unterm Tisch, dem Sofa, im Sofa, unter und in den Betten, überall weiße Mäuse. 

Da hast Du Kanonen gebaut und auf sie geschossen! Nicht nur mit dem roten Pulver von den Zündholzköpfchen, den Schweizerkrachern, den „Damenpfürzen“, sondern auch von scharfer Munition, die wir aus dem Glockenbach gefischt hatten. Du hast Sprengsätze gebaut, den Mäusen an den Schwanz gebunden und gezündet.

Im „Thalkirchener Hof“, deiner Heimat und unserer zweiten, haben wir gekickert und der Heilmeier Kurte hat einen Schläger, einen Halbstarken, der ihn herausgefordert hat, k.o. geschlagen und wir haben Rock and Roll getanzt „one, two, tree o`clock, four o`clock rock“ und Du warst der Spezialist für das Spielen an Glücksautomaten. 

Du hast sie alle geknackt, konntest den Hebel auf eine ganz bestimmte Art und Weise betätigen,  so dass Du direkten Zugang zum Getriebe dieser Kästen bekommen hast und genau die von Dir gewünschten Zahlen gekommen sind: 
dreimal die sechs! Dann hast du freie Hand gehabt - nein, die Volle! Deine Augen haben geleuchtet und durch die Gewinnschächte 
prasselten die Münzen.

Nicht nur durch jene im „Thalkirchener Hof“. 
Nein, bist Du herumgezogen, von Wirtshaus zu Wirtshaus. Aber ich glaube, man ist Dir auf die Schliche gekommen und dann haben wir Dich aus den Augen verloren. Lieber Nase, bitte melde Dich, wenn es Dich noch gibt - was ist aus Dir geworden - wo steckt sie heute - Deine Nase?