So kann die Holzkohle als Sinnbild stehen für die Bestrebungen der Maler und Bildhauer des letzten Jahrhunderts, die in ihren Arbeiten die geistige Substanz der Dinge suchten, indem sie die materiellen Bedingungen weitgehend auszufiltern versuchten.


Es ist noch nicht allzu lange her, dass ich die ersten Buchenholzstäbe gebrannt habe. Ausgangsmaterial waren exakt gehobelte Stäbe mit einem Querschnitt von 20 x 20 mm und einer Länge von etwa 70cm.


Man darf meine Kohle in ihrer Erscheinung nicht mit handelsüblicher amorpher Holz- oder Grillkohle verwechseln. Der Brand hat ihnen erstaunlicherweise die scharfen Kanten und exakten Oberflächen gelassen, ihnen aber ihre einstige baumhafte Körperlichkeit zurückgegeben - in Form von verschobenen Querschnitten, wuchshaft gedrehten und geschweiften Liniengestalten mit filigran zerbrechlicher Leibhaftigkeit und sinnlichen Oberflächen.


Sie sind voll schwarzer unergründlicher Schönheit für mich und verströmen, wenn sie mit Buchenholzteer, einem Spaltprodukt des Verkohlens, getränkt sind, einen betörend sinnlichen Geruch, den ich aus meinen Kinder- und Jugendtagen her kenne, als wir die hölzernen Laufflächen unserer Skier mit Holzteer imprägnierten. Und oft dachte ich, wenn es einen Duft für mich gäbe, so müsste es dieser Duft nach Teer sein. Der Duft, der sich beim Einbrennen des Teers auf unseren Skiern verbreitete.


Meine Kohle erinnert mich in ihrer schwarzen Schönheit an Ebenholz.


Es ist lange her, da hatte ich in der Werkstatt von Sepp Landsdorfer, einer damals bei den besten Gitarrenbauern der Welt bekannten und geschätzten Werkstatt, mit Ebenholz gearbeitet. Sie baute Griffbretter für Gitarren und Zithern. Dabei verarbeitete sie auch Ebenholz. Und ich war immer ein wenig enttäuscht. Neben meinem Ebenholz aus dem Märchen von Schneewittchen war es matt und grau. Meine eigene Kohle aber aus meinem „Meiler“ mit meiner in vielen rauchenden Testreihen entwickelten Brennmethode glänzt matt in samtig tiefem Schwarz.


Holzkohle so schwarz und glänzend wie das Ebenholz aus meinem Märchen: so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz.


Kohle als Zeichnung


Eines schien von Anfang an klar: Diese Kohle sollte kein dienendes Werkzeug sein, das ich meinem Bleistift als Konkurrenten an die Seite stellen wollte. Sie sollte sich nicht für etwas anderes aufreiben. Meine Kohlen sind die Linien selbst. Ich kann sie in die Hand nehmen. Sie sind dreidimensionale Körper - Kohlekörper, materialisierte, perfekte Kohlelinien.


In den Vorbereitungen zur Ausstellung in der Ambulanten Galerie probierte ich zum ersten Mal ein Bruchstück als Zeichenmittel aus.

Dabei machte ich nach einigen Versuchen eine für mich höchst interessante Entdeckung: Handelsübliche Zeichenkohle ergibt eine satte tiefschwarze Färbung. Meine harte präzise Kohle aber teilte in ihren Linien ihre eigenen Wachstumsbedingungen mit. Zog ich eine Linie, so war sie in ihrer Breite in viele feine, unterschiedlich gesättigte Einzellinien aufgeteilt. Genau wie die Wachstumslinien beim ungebrannten Holz hatte auch das gebrannte Holz, die Kohle, Jahresringe und Holzmaserungen behalten.


Man müsste an meinen Zeichnungen die dendrochronologische Einordnung des Buchenstammes,  aus dem das Holz für  die Kohle geschnitten wurde, ablesen können.


Anton Kirchmair




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A Cennino Cennini


„Wie man die Zeichenkohle gut, tüchtig und fein macht.“ hat Cennino Cennini, Maler der italienischen Frührenaissance und Autor des berühmten Lehrbuchs “Il libro dell`Arte“ um 1400 beschrieben.

Er schreibt, dass man verschiedene Hölzer wie Wein, Weide, Linde, Pfaffenhütchen, Obstbäume und andere verwendet, dass sie gleichmäßig gewachsen sein sollen und die Kohle nicht zu weich, aber auch nicht zu hart sein darf, da sie sonst schmiert oder splittert.


Ich selbst habe, bis auf ein paar kleine Versuche, nie mit Zeichenkohle gearbeitet.


Wie kommt es, dass ich angefangen habe Holzkohle zu brennen?


Hat es mit meiner neuen, dunklen Heimat dem Böhmerwald, dem Land der einst rauchenden Meiler und Pechbrenner zu tun? Sind es die wie mit schwebendem Rauch fein gewebten Textbilder von Adalbert Stifter? Oder hängt es mit den drei hand- und armlosen Skulpturen von Christian Jorhan in der Heiliggeistkirche in Landshut zusammen?

Sie stehen im Kirchenschiff waren aber im Krieg nach München ausgelagert und kehrten von dort beschädigt zurück. Ihre fehlenden Arme und Hände erinnern mich an die oft wiederholten Erzählungen meiner Eltern: Von den Bombennächten in München, an unser Haus in der Görresstrasse, an die nassen Windeln vor meinem Kinderwagen, an das Heulen der Sirenen, an die verkohlten Leichen, die man an den Morgen danach aus dem Schutt der umgebenden Häuser gegraben hat, bis unser Haus selbst in Schutt und Asche lag.


Oder waren es die Ausgrabungen in der Altstadt von Landshut, bei denen filigran verkohlte Getreidereste in irdenen Gefäßen ans Tageslicht gekommen sind? Auch dies Relikte eines großen Brandes.


War es die Erinnerung an einen alten, aber längst verlorenen Freund?

Er wurde als Soldat im zweiten Weltkrieg in den Kaukasus verschleppt und lebte dort als Köhler jahrelang von Kopf bis Fuß in schwarzen Filz gehüllt fernab jeglicher Zivilisation.

Gefangen, nicht von Stacheldraht und Wachttürmen, aber von der Unendlichkeit der umgebenden Wälder - viele lange Jahre lang. Jahre jedoch, in denen er sein Gefangensein vergaß. Wohl auch deshalb, weil er neben dem Gesang der Vögel eine Frau liebte, die Olga hieß und die unter denselben Rindenstücken hauste wie er selbst.

Auch sie eine Verschleppte. Er mußte sie, nach friedvollen Jahren, verlassen, ohne dass ihm die Möglichkeit eines einzigen Wortes oder auch nur einer kleinsten Geste des Abschieds gelassen worden wäre. er hat sie nie mehr, nie mehr wieder gesehen.


Oder hängt es mit meinen systematischen Untersuchungen über die bildnerischen Mittel und die künstlerischen Realisierungsmöglichkeiten zusammen? Mit meinen Kaltnadelradierungen z.B. und ihren tiefschwarzen sinnlichen Linien oder mit meinen Schabblättern

und der Emanzipation des Schabers?


Hat es mit meiner oft so vergeblichen Suche nach Leichtigkeit, nach leichtem Gepäck zu tun? Holzkohle brennt besser und heißer als die Buche selbst. Nur mit verkohltem Holz kann man Stahl schmieden und schmelzen. Das Leichte ist entgegen den Quartettkartenspiel-Determinanten unserer Kindertage doch stärker als das Schwere. Dabei ist die Holzkohle nicht nur wesentlich leichter, sondern auch im Volumen um ca. 25 Prozent  geringer. Das war der Grund, warum man in den Urwäldern des Böhmerwaldes das Holz vor Ort zu Kohle brannte. Man hatte weniger zu transportieren auf dem weiten Weg in die ferne Stadt Wien. Ein geringes Gut, von belastender Materie befreit, fast schon selbst eine geistig flüchtige Substanz und deshalb so heftig in ihrer Wirkung.