Sumervogel

ein Konglomerat



meinen Sumervogel habe ich

wie viele meiner Texte

viele mal geschrieben


zuerst schreibe ich oft nur ein

Wort  das gerade in meinem Kopf ist

wenn es dann auf dem Blatt steht

schau ich es an und frage mich

ob es sich freut dass ich es

in die Welt gesetzt habe

warte darauf dass es

mich anlächelt


aber das Wort

tut oft so als ob es mich nicht

kennen einem anderen gehören würde

dem Blatt vielleicht oder sich selbst


schaut mich gerade noch ein

wenig an um kurz darauf die Augen

niederzuschlagen oder mir gar die

Zunge herauszustrecken


dann bin ich beleidigt

schmeiß es in

den Kübel


am nächsten Tag hab ich ein

schlechtes Gewissen und sag zu mir

was kann denn das Wort dafür

dass ich mich dumm anstelle


hol es mit spitzen Fingern

wieder heraus rede mit ihm

versuch zu verstehn was ihm fehlt


einen Nachbarn oder gar

eine Nachbarin hätte es gerne


die oder den schreib ich dann

neben das Wort und dann geht

die Gaudi wieder von vorne los


denn jetzt hab ich es mit

zwei Wörtern zu tun



wasm ihnen die Zunge gesagt

so wie ich das immer mache

dass die einzelnen Gedanken zu einzelnen Formen werden dass die Zeilen

gelesen verändert

geflüstert verändert geschrieen verändert

ich habe versucht

ihn in meinen Mund hineinzubringen

ihn mit meiner Zunge bekannt zu machen

mit meinem Gaumen

mit meinen Lippen

und umgekehrt

manchmal versuche ich ihn auch zu singen

mit der Gitarre auf dem Schoß


mein Buch ist etwa 23 cm hoch 8 cm breit und 1,4 cm dick es wiegt 43 Gramm

und besteht aus vier Teilen


Gummifaden

Textausschnitt


das Leporello

ist aus Reispapier

von bester Museumsqualität

es besteht aus einer einzigen Papierbahn

von etwas mehr als drei Meter Länge

ist über vierzigmal

von Hand gefalzt und gefaltet

einmal links und einmal rechts

sehr zeitraubend

sehr schwierig



der Umschlag aus Büttenkarton

in bester Museumsqualität

ist ebenfalls mehrmals

von Hand gefalzt und gefaltet



der Gummifaden

ist aus weiß der Kuckuck was

aus Gummi und Faden halt

die Hohenwarter Christl

die tapfere Näherin

aus Auersbergsreut

hat ihn mir geschenkt


die Textausschnitte hab ich

aus Probedrucken herausgeschnitten

ich wollte sie nicht wegwerfen

sie waren genauso mit dabei

sie dürfen auch mitspielen

ich wollte sie zuerst aufkleben

aber die Kleberei nervt


so habe ich sie

unter das Gummiband geklemmt

Luft und Schatten haben darunter Platz

ein kleiner Wind könnte sein Spiel treiben

aber aufpassen muss man sehr

denn verletzt sind sie gleich


dann endlich muss ich sie meinem

mund vorstellen meiner zunge meinem Gaumen meinem Kehlkopf meinen Lippen muss sie fragen ob sie meine Worte mit

ihrem Wesen zu einem neuen unseren

Wesen vereinen können


wenn ich sie dann spreche

bemerke ich dass manche meiner

worte nicht in meinen mund passen

denn eigentlich sind meine texte ja gesänge

oder zumindest wäre ich glücklich wenn

ich sie zu solchen werden würden


manchmal versuche ich sie zu

singen mit der gitarre auf dem schoß

das fällt mir schwer eher schon gelingt

es mir sie gar zu tanzen



wenn ich sie dann also singe

spitzen meine Ohren ihre Lauscher

und meine Augen schauen über das

Geschriebene und ich frage sie

wie es ihnen gefällt


und immer wieder

wenn ich nach Wochen oder Jahren

einen meiner Texte in die Hand nehme

frage ich meinen Mund meine Augen

meine Ohren meinen Verstand mein

Gefühl und mein Herz


stimmt das noch was

ich damals geschrieben habe


oft fange ich wieder von vorne an


wasm ihnen die Zunge gesagt

so wie ich das immer mache

dass die einzelnen Gedanken zu einzelnen Formen werden dass die Zeilen

gelesen verändert

geflüstert verändert geschrieen verändert

ich habe versucht

ihn in meinen Mund hineinzubringen

ihn mit meiner Zunge bekannt zu machen

mit meinem Gaumen

mit meinen Lippen

und umgekehrt



wenn meine Wörter dann

irgendwann auf den Papier stehen

muss ich sie wieder zurück in meinen

Kopf holen und so geht das hin und her


zum Schluss versuche ich sie

in eine Form zu bringen in Zeilen und

Abschnitte die miteinander zu einer Art

Architektur oder Skulptur werden

eine Skultur aus Wörtern