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Buchbesprechung: „Drei Silben“


Warum in die Ferne schweifen? Einen keineswegs abgedroschenen Antworthorizont auf diese Frage gibt Anton Kirchmair in seiner Erzählung mit dem rätselhaften Titel „Drei Silben“, die er selbst am 22. September in Straubing im Alten Schlachthof um 11Uhr liest. Zum ersten Mal vorgestellt hat Kirchmair sein Werk auf der Buchmesse in Frankfurt 2012 und damit ein breites Medienecho z. B. in der Süddeutschen Zeitung oder im Bayerischen Rundfunk gefunden.

Nun sind es ja Tausende und Abertausende von neuen Büchern, die auf einer Buchmesse auf Aufmerksamkeit hoffen.  Anton Kirchmairs Text, sein erstes Buch übrigens, ist einmalig, hervorstechend, schon rein vom Äußeren her.

Gegen den Trend der E-Books mit ihrer Digitalisierung und ihrer gleichsam unendlichen Reproduzierbarkeit legt Anton Kirchmair ein Buch vor, das das Sinnliche, das Haptische, Fassliche in den Mittelpunkt rückt. Aber ist dieser Text, den er „selbst gesetzt, gedruckt und verlegt“ (Süddeutsche Zeitung) hat, in konventionellem Verständnis überhaupt ein Buch? Es rollt sich aus zu einer einzigen Papierbahn von über drei Meter, lässt sich zu einem Leporello mit schmalen Kolumnen in braunrosa gehaltenen Buchstaben falten und ist in einem Schober aus Glas geschützt. Ein Buch oder eine Skulptur? Auf jeden Fall verletzlich, zerbrechlich, edel und erlesen. Ein Kunstobjekt allemal, limitiert auf 50 Exemplare.

Eigentlich kennt Straubing Kirchmair eher als Bildhauer, Zeichner und Graphiker, der in seiner Ausstellung „Tara, vom Stand der Dinge“ im Straubinger Schlachthof 2010 offenlegte, wie bedeutsam ihm neben der Forderung nach Leichtigkeit die gleiche Gewichtung der Dinge ist. Er wehrt sich gegen den Vorzug, der der vermeintlichen Sache selbst, der Skulptur zum Beispiel, gegeben wird, wobei in unwillkürlichem Automatismus die Verpackung der Gegenstände wie eben auch der Kunstwerke, „Tara“ also, als scheinbar nebensächlich geringgeschätzt wird.

Mit seiner Buchvorstellung in Frankfurt 2012 hat Anton Kirchmair die Trennlinie zwischen bildender Kunst und Literatur überschritten. Er erzählt darin eine Seefahrergeschichte mit mehrfach ineinander verwobenen Themen- und Handlungssträngen. Der Schauplatz ist exotisch. Die Hauptfigur ist ein junger, unerfahrener deutscher Matrose, dessen Schiff im Hafen einer Insel in der Karibik vor Anker liegt und sicher vertäut ist. Nun ist ja ein Seemann jemand, der schon rein beruflich andauernd geographische wie bewusstseinsmäßige Horizontverschiebungen erfährt. Im Gegensatz zu seinen Arbeitskollegen hat die Zentralfigur den Landgang aufgeschoben. Noch trennt ihn der Anlegesteg vom Exotisch-Fremden. Er hat eine Liebeserfahrung vor sich, die in einer geradezu ins Kosmische ausgeweiteten Sternennacht gipfelt.  Parallel dazu wartet auf den Protagonisten eine Initiation in eine andersartige, befremdliche und zugleich faszinierende exotische Welt, die ihm bei Themen wie „Anmut trotz Schwere der Arbeit“ oder Motiven wie „Musik und Tanz“ gerade im kulturell Neuen auch teilweise Bekanntes oder Erstrebenswertes zurückspiegelt. Seine Geschichte wird zu einer Geschichte der Grenzüberschreitungen, die mit dem Gewohnten brechen und Gefährdungen wie auch Bereicherungen verschiedenster Art heraufbeschwören.

Von der Textsorte her lässt sich Toni Kirchmairs Geschichte nicht ohne Weiteres in eine Schublade stecken – am ehesten könnte man sie als lyrische Erzählung einordnen. Er schildert packend in freiem Versmaß, in einfacher, rhythmisierter Syntax, mit ausgefeilter Wortwahl und präzis plastischen Wortneuschöpfungen. Dank seiner raffiniert strukturierte Leitmotivtechnik eignet sich der Text ausgezeichnet auch zum Hören.

Toni Kirchmair hat sein Atelier in Marchhäuser im Dreiländereck zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien, das Grundstück endet am Grenzbach hin zu Tschechien – eine Landschaft wie geschaffen für Grenzüberschreitungen.

Jetzt im Herbst stellt Anton Kirchmair sein neuestes Buch vor – wieder auf der Buchmesse in Frankfurt. Wir dürfen gespannt sein.