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Katalog - SERIELLE MALEREI - eine Malaktion     Die Serie „Arbeiten auf Löschpapier“


Die Serie „Arbeiten auf Löschpapier“ besteht aus 13 Reihen, die ersten zwölf enthalten je acht Arbeiten, die 13. und vorläufig letzte enthält 36 Arbeiten.

Die Zahlen 8 und 13 haben keine besondere Bedeutung. Ich wollte einfach mehrere Arbeiten neben- und nacheinander machen und zwar sollten es mindestens so viele sein, daß eine geschlossene Reihe emntsteht. Ich kam auf die Zahl 8, weil ich gerade diese Anzahl von Glasunterlagen in der entsprechenden Größe hatte. Auf die Zahl 36: so viele Löschblätter blieben mir nach den ersten zwölf Reihen übrig. Auch daß es 13 Reihen sind ist ohne Bedeutung. ich habe mich einfach vorgearbeitet von einer Reihe zur nächsten. Ich benötigte zwölf Reihen um die vielen Probleme zu lösen, die sich mit der Zeit stellten.


Der Farbauftrag erfolgte mit Pinsel, anfangs mit unterschiedlich großen und sehr vorsichtig. Das trockene Papier saugte die Frabe blitzschnell aus den Borsten heraus. Durch Streichbewegungen wäre das aufgeweichte Papier sehr leicht zerrissen, deshalb tupfte ich in den ersten beiden Reihen den Pinsel nur auf. Ab Reihe 4 habe ich dann festgestellt, daß ich auf vorsichtig grundiertem Papier, wobei die Grundierung lediglich aus einer sehr stark verdünnten Farbe bestand, auch Streichbwegungen durchführen konnte. Das Grundieren war allerdings sehr schwierig, durch die Ausdehnung bildeten sich Falten, die Blätter mußten an- und abgehoben werden, dami sie sich auf der Glasplatte gleichmäßig ausdehnen konnten, erst dann lagen sie satt auf und erhielten so eine relativ hohe Festigkeit.


Ich habe etwa bis Reihe 11 gebraucht, um mit diesem Problem fertigzuwerden. Die Falten bildeten sich naturgemäß immer in Laufrichtung des Papiers (senkrecht) und es entstand, durch das Nichtaufliegen auf der Unterlage, ein dunklerer Farbton, der mich sehr störte,weil er durch die strenge Vertikalität im ungewollten Gegensatz zu den handschriftlichen Pinselstrichen stand.


Große Probleme bereitete mir anfangs der Trockenprozeß. Die vollständig bemalten Bilder waren derart leicht zerreißbar, daß ich sie nicht von der Unterlage abheben konnte. ich ließ sie also so lange liegen, bis sie weithgehend trocken waren; dadurch aber klebten die überstehenden Ränder an der Unterlage oder ganze Teile an der Glasplatte fest. In den Reihen 9 und 10 hob ich die nassen Arbeiten ab und legte sie auf trockene Glasplatten. Dadurch vermied ich zwar das Ankleben, erhielt jedoch ein weitgehend monochromes Ergebnis, das ich verweiden wollte. Überhaupt sahen die Arbeiten im nassen Zustand völlig anders aus als im trockenen. Ich lernte dieses Phänomen erst allmählich kennen und zog daraus Konsequenzen.


Die abgehobenen Blätter wurden schließlich abwechselnd mit trockenen Löschblättern gestapelt und zwischen Glasplatten gepreßt. Dieser Vorgsang wurde bis zur vollständigen Trocklnung wiederholt. Das bedeutete, daß ich das Ergebnis der vorhergegangenen Reihen bei der Arbeit an der neuen Reihe noch nicht kannte. Erst nach der sechsten Reihe habe ich alle Arbeiten auf den Atelierboden gelegt. Das Ergebnis hat mich zuerst völlig depremiert.


Jede Inkonsequenz im Prozeß war als solche klar im Produkt ablesbar. Ich fühlte mich ertappt! Ich hatte z.B. heimlich und gegen meine eigentliche Überzeugung mit Tropfspuren gearbeitet oder bereits bemalte Bilder nachträglich partiell übermalt, was ich anfang unbedingt vermeiden wollte. Die erste Reihe jedoch war spontan richtig gemalt und handwerklich perfekt. Ich brauchte lange, um wieder technisch so gute Blätter zu bekommen. Mich störte aber die statische Pinselführung und die Farbigkeit, sie waren mir beide zu weich und erinnerten mich an „pattern painting“. Die Reihe 2 wurde wie die erste behandelt, die Farben nahm ich jedoch so dick, daß sie teilweise auf der Oberfläche stehenblieben. Dieses Ergebnis war handwerklich ebenfalls gut, die Farbigkeit kontrastreicher, doch ebenso dem „pattern päinting“ ähnlich.


In der ersten Reihe habe ich sehr spontan, unbekümmert uind selbstverständlich gearbeitet. Von Reihe zu Reihe verlor sich diese anfänglich Unbekümmertheit, alles wurde zum Problem: Arbeitstempo, Farbauftrag und Farbwahl. Die Reihen wurden zusehends schlechter. Ich wollte alles vernichten - und habe dann noch einmal begonnen, diesmal aber systematisch und an den jeweils sich stellenden Problemen orientiert.

Wie groß muß der Abstand zwischen den Blättern sein?

Ein großer Abstand begünstigt mehr eigenständige Einzelbilder - geringer Abstand erlaubt übergreifende Farbigkeit und Pinselführung.

Welche Farben verwende ich in welcher Konsistenz?

Wie schnell muß ich, kann ich arbeiten?

Es galt, die technischen Probleme, z.B. Faltenbildung zu analysieren und zu bewältigen. Für die Gestaltung wurden mir die beiden letzten Bilder der Reihe 6 wichtig. Sie überzeugten mich farblich und waren richtig gemacht. Mir war aber klar, daß ich nicht versuchen wollte, dieses Ergebnis zu wiederholen. Ich wollte nicht vom Resultat ausgehen, sondern war den Meinung, daß ein konsequenter Vorgenag eine entsprechend richtige Lösung bringen würde. Ich konnte also nur mit einem klaren Konzept weiterarbeiten, mit optimalen Arbeitsbedingungen, die mir einen ungestörten Arbeitsprozeß vom ersten bis zum letzten Blatt ermöglichten. Es galt zu versuchen, das Denken während des Arbeitens auszuschalten. Der Arbeitsprozeß selber müßte autonom ablaufen, ohne Vor- und Zurückdenken, ohne optische und gedankliche Vergleiche. Diese autonome Artbeitsweise benötigte verschiedene Voraussetzungen:

  1. 1.Ein klar formuliertes Arbeitskonzept: z.B. Art, Reihenfolge und Konsistenz der Farben

  2. 2.optimale organisatorische Bedingungen: Blätter, Unterlagen, Pinsel und Farben müssen vorbereitet sein.

  3. 3.größtmögliche Konzentration während des Malvorganges

4. straffes Arbeitstempo


Malen muß während des Malens von alleine gehen.

Ich stehe oder kniee über dem Blatt.

Die Arme schwingen in den Schultern. Pinsel eintauchen, darüberstreichen, Blatt anheben, glattstreichen. Kein Denken! Kein Blick zurück auf das bereits bemalte Papier. Kein Blick voraus auf das weiße Blatt - automatischer, vom Denken abgelöster Prozeß!

Reihe 11. Ich habs wieder geschafft!


In Reihe 12 habe ich zum ersten Mal einen zweiten Arbeitsgang eingeführt. Ich bin, nachdem alle Blätter bemalt waren, erneut und zwsr mit roter Farbe, über die Arbeiten gegangen. Ich hatte Mut gefaßt, die handwerklichen Probleme waren größtenteils überwunden. Mir war klar, worauf ich hinaus wollte: Ich wollte eine lange Reihe malen, viele Bilder; so viele, daß ich bis zur Erschöpfung arbeiten konnte. Ich zählte meine restlichen Löschblätter: 36 Stück! Ich habe 36 Glasplatten gekauft; nebeneinander gelegt ergaben sie 18 Meter. Ich brauchte also einen Raum von mindestens 20 Meter Länge. Dankenswerterweise wurde mir dier Turnhalle zur Verfügung gestellt.

Ich habe mir Zeit zum Herrichten gelassen, alles sollte perfekt sein! Folien zum Auslegen, Papier als Unterlage, Glasplatten, darauf die Löschblätter. Die Farben stellte ich selbst her, aus Dispersionsbinder und Pigmenten, so sind sie einfach zu handhaben, haltbar und beliebig verdünnbar.


Dann aber bekam ich doch ein beklemmendes Gefühl; in der großen stillen Halle, wie der Lanmgläufer vor dem Start. Ich hatte Angst, alles erschien mir so unausweichlich, dann aber bin ich doch gelaufen; wie im Winter in der Loipe, 20 oder 40 Kilometer! Am Anfang die üblichen Schwierigkeiten, Arme uind Beine schmerzten, Kurzatmigkeit, dann, mit der Zeit - Rundlauf! Verselbständigung des Ablaufs, die Arme schwingen von selbst. Bewegungen verschmelzen mit den Geräuschen, die durch sie hervorgerufen wurden, zu einer Einhait. Der Blickwinkel ist begrenzt. Unter den Füßen verschmelzen die Schneekristalle zu langen, nicht abreißenden Perlfäden - ich habe genau zwei Stunden gebraucht, von 8 bis 19 Uhr.                                                     Foto Ralf Weiss