Anton Kirchmair                       home             aktuell                      Werk           Ausstellung          Veranstaltung           Ankauf           Vita          Presse         Kontakt

Laudation zur Verleihung des Kulturpreises 2012 an Anton Kirchmair, 16.2.2013

Josephine Gabler


Der Kulturpreis 2012 des Kulturkreises Freyung-Grafenau geht an einen der vielseitigsten Künstler, den ich kenne, Anton Kirchmair. Der Bildhauer, Zeichner, Maler, Fotograf und Autor Kirchmair wird dieses Jahr unglaubliche 70 Jahre alt und er ist von einer  unbändigen Neugier getrieben. Dabei richtet sich sein Interesse nicht etwa nur auf bildkünstlerische Fragen, sondern ihn interessieren genauso Musik, Literatur, die Natur, Geschichte, die Sterne, Maschinen, Kochen, Singen, Bauen und das Fotografieren, er pflegt seine Begeisterung am diskutieren und problematisieren, er hinterfragt und überlegt. Die häufigsten Worte, die man seine Arbeit betreffend von ihm hört sind: “Das interessiert mich jetzt sehr” “Daran möchte ich weiterarbeiten” “Das möchte ich genauer wissen” “Das freut mich zur Zeit ganz stark”. Diese Neugier, gepaart mit Freude an den Dingen, die er tut, durchzogen von Momenten des Zweifels und der Traurigkeit, machen die Kunst Anton Kirchmairs aus.

Nichts unternimmt er leichtfertig, probiert es einfach mal so aus, sondern alles ist durchdacht - nicht geplant, aber wohlüberlegt, warum er jetzt genau diesen Schritt in seinem künstlerischen Leben geht, der sich ihm eröffnet hat eben durch seine Neugier.

Der Lebensweg Kirchmairs erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, weist aber auf eine Entschlossenheit zu einem ganz bestimmten Ziel hin, der bildenden Kunst. Zunächst wurde der in München Geborene Werkzeugmacher, fuhr zur See, diente in der Bundeswehr, machte das Abitur nach und studierte Kunstpädagogik. Schon während der Tätigkeit als Kunsterzieher in Landshut gab es erste Ausstellungen oder besser Performances im Sinne der Action Painting bzw. Mal- und Tanzaktionen. Seit 1992 arbeitet Kirchmair als freischaffender Künstler, ohne die Sicherheit des Lehrberufs.

Erste Arbeiten waren dem Seriellen, prozeßhaften verpflichtet, es folgten gestische Malereien und erste Installationen aus Holz.  Es waren konstruktive Plastiken, die Holzplatten zu geometrischen Körpern zusammenfügten.

Diesem Grundprinzip ist Kirchmair im wesentlichen treu geblieben, wobei ihm das Naturmaterial Holz die Formteile vorgibt, deren natürliche Veränderung der Künstler auch akzeptiert, die er dann jedoch nicht in ihrer willkürlichen Gegebenheit, sondern in einem ordnenden, additiven Sinn verwendet. Der Künstler “baut” seine Skulpturen und verbindet damit in seinem Werk das Biomorphe mit dem Technoiden. Vielleicht liegt es an dem einstmals erlernten Beruf des Werkzeugmachers, der exakte Feinarbeit verlangt, dass das Grob-urwüchsige des Materials Holz in Kirchmairs Skulpturen keinen Platz findet. So verwendet er selten Holzbalken oder Blöcke, sondern eher dünne Furniere. Stets müssen seine Arbeiten Leichtigkeit, Feinheit und Präzision vermitteln, auch im scheinbar zufälligen, das sich etwa bei dem Projekt “Rohrstabgitter” als kalkulierter Prozess entpuppen konnte.


Obwohl sein Atelier tief im Wald liegt - jedenfalls für eine Städterin wie mich - haben Anton Kirchmair und seine Frau Martha daraus einen lebendigen Ort der Begegnung gemacht. Mit dem im Jahr 2009 begonnenen Projekt “Kunst am Zweiundzwanzigsten” wurde Anton Kirchmair selbst zum Kultur-Veranstalter. Es gibt Lesungen und Ausstellungen, seiner Werke, aber eben auch anderer Künstler aus anderen, etwa angewandten Bereichen, mit gemeinsamen Kochveranstaltungen, Konzerten und Performances, Gesängen, Gesprächsrunden, manchmal ist der Künstler auch “unterwegs” am zweiundzwanzigsten und da kann man dann selbst nichts ahnend zu einem Teil dieser Veranstaltung werden. Anton Kirchmair kommt auf einen Kaffee vorbei, man unterhält sich angeregt über Kunst und ahnt nicht, dass der zweiundzwanzigste ist! 

Seine Vielseitigkeit und seine Neugier treibt ihn zu dieser ungewohnten Tätigkeit der Kunstvermittlung, die sich aber auch zu einem Teil der prozeßhaften Arbeiten Kirchmairs entwickelt. Daneben zeigt diese Kunstreihe jedoch auch wie frei er von Berührungsängsten ist und wie uneitel er sich anderen Künstlern, Kulturschaffenden und Kunstsparten öffnet.


Kirchmair sagt  über sich und seine Kunst, seine Wege seien verschlungen. Da diese Wege aber immer auf ein Ziel führen, nämlich den komplexen Kosmos der Kirchmairschen Kunst, sind sie für uns, die Betrachter, immer bereichernd. Es freut mich, dass der Mut Anton Kirchmairs, immer wieder neue Wege zu suchen und zu beschreiten, nun mit dem renommierten Kunstpreis des Kunstkreises Freyung-Grafenau geehrt wird. Herzlichen Glückwunsch.

Vor einigen Jahren bereicherten geköhlerte Objekte sein Werk, fragil und hart zugleich. In ihrer Schwärze betonten sie den verfremdenden, zeichenhaften Charakter der plastischen Arbeiten von Anton Kirchmair, neben denen ein gleichwertiges graphisches Werk steht. Es sind Kohlezeichnungen oder Radierungen, auch diese im Strich sehr präzise, aber in ihrer Formdichte fast überschwenglich und fabulierend. Auch bei den Arbeiten auf Papier ist die Leichtigkeit ein bedeutendes Thema. Es ist dem Künstler wichtig, ein Zeichenmaterial zu verwenden, das möglichst wenig Gewicht auf dem Untergrund hinterlässt. Kirchmair beachtet Dichte und Gewicht, Masse und Menge.  Folgerichtig erhob Kirchmair auch die papierene Verpackung seiner Plastiken selbst zum künstlerischen Gegenstand. Sie wurde in dem Werkprozeß “Tara” in ihrer Spannung und Bewegung dokumentiert und als Fotoobjekt in die Präsentation einbezogen.

Ballast abwerfen, Leichtigkeit des Materials und im Materialauftrag sind die Themen, die Kirchmair durchgängig beschäftigen. Diesem Phänomen, seine Werke mit möglichst wenig Gewicht zu belasten, forscht der Künstler mit einer ungeheuren Intensität nach. Wobei es auf keinen Fall um eine Inhaltliche Leichtigkeit geht. Denn nichts liegt Kirchmair ferner als Banalität. Im Gegenteil, selten habe ich einen Objektkünstler kennenlernen dürfen, der bei seiner Suche nach dem vollendeten Werk so viele gedankliche Möglichkeiten in Betracht zieht. Neben einem möglichst verschwindenden Gewicht gehören jedoch stets eine präzise Raumordnung, eine  Festigkeit, aber auch ein hohes Maß an Sinnlichkeit zu seinen Arbeiten.

So darf es denn nicht verwundern, dass sich Kirchmair auch anderen Formen der Sinneswahrnehmung zuwendet. Es sind neben der erwähnten Fotografie seit einiger Zeit das Schreiben und Vor-Lesen, also das geschriebene und gesprochene Wort. Eine hohe Kunst der sinnlichen Äußerung. Als “Artist in Residence” im Dießener Taubenturm vollende Kirchmair 2012 seinen Text “Drei Silben”, den er zu seinem ersten Künstlerbuch gestaltete. In einer zurückhaltenden Art der Performance las Kirchmair diese seine Geschichte von einem Seemann und einem Mädchen auf der Frankfurter Buchmesse in einer kleinen Ausstellungskoje einzelnen Interessierten vor.  Und erstmals in seiner langen Karriere erreichte der stets ohne Galeristen arbeitende Künstler eine landesweite mediale Aufmerksamkeit. Obwohl sich seine Werke längst in so renommierten Museen wie dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, der Kunsthalle Hamburg, dem Hessischen und dem Rheinland-Pfälzischen Landesmuseen und den Staatsgemäldesammlungen München befinden, und er Einzelausstellungen in München, Tokio und Virginia hatte - von den beiden Ausstellungen im MMK in Passau wollen wir an dieser Stelle gar nicht sprechen - brauchte es diesen aus der Norm fallenden Auftritt in Frankfurt, um Rundfunk und Fernsehen, SZ und FAZ auf den Bayerwald-Künstler aufmerksam zu machen. Ich sage jetzt bewusst Bayerwald-Künstler, da Kirchmair eben fest dieser Landschaft und seinen Menschen verbunden.