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Kunst an der Grenze

Der Künstler Anton Kirchmair erhält den Kulturpreis Freyung-Grafenau

Einen Satz hätte ich gerne von Anton Kirchmair zur Verleihung des Kulturpreises Freyung-Grafenau an ihn gehört. „Was soll ich sagen, es ist nicht leicht, an der Grenze von der Kunst zu leben und wird immer schwerer“, meint der Künstler, der sich vor Jahren zunächst aus München nach Untergangkofen und von dort dann nach Marchhäuser bei Haidmühle in den bayerischen Wald aufmachte, dorthin, wo er am tiefsten ist. Die Grenze nach Tschechien liegt gleich vor der Haustür. Es war kein Rückzug in eine Idylle, es war ein Rückzug dorthin, wo er hoffte, konzentriert arbeiten zu können, ungestört vom Unsinn des digital beschleunigten Alltags. Für Anton Kirchmair heißt Lebensqualität die Freiheit, das Leben selbstbestimmt zu gestalten. Dass der Genuss der selbst gewählten Freiheit am Rande der Welt bedeutet, mit einem anderen Kulturbegriff zurechtkommen zu müssen, das ist dem unverwüstlichen Idealisten erst langsam klar geworden. Er beklagt den Verlust an Qualitätsbewusstsein, den fehlenden Sinn für Traditionen, für Kunst, Kultur und Architektur,  und die Gleichgültigkeit der Medien diesen Entwicklungen gegenüber. Mit seiner eigenen künstlerischen Arbeit setzt er dem konsequent Widerstand entgegen: mit der Qualität der Materialien, der handwerklichen Arbeit und dem Sinn dieser Arbeit für das Leben.  

Kirchmairs Vita ist durchaus beeindruckend. Der gebürtige Münchener lernte Werkzeugmacher wie sein Vater, ging zunächst zur See auf Meereshöhe und dann als Gebirgsjäger auf die Berggipfel, machte auf dem zweiten Bildungsweg Mittlere Reife und Abitur, wurde Kunsterzieher mit Familie und vier Kindern und ist seit 1992 als freischaffender Künstler tätig.

Sein wichtigstes Arbeitsmaterial ist das Holz, das Prinzip seiner Arbeit heißt: alles restlos zu verwerten. Darüber hinaus braucht  Kirchmair nur einfachste Materialien, Graphit und Holzkohle zum Zeichnen, dünnstes Japanpapier zum Drucken. Von seinen Arbeitsgebieten Zeichnung, Druckgraphik und Skulptur liegt ihm die Zeichnung am nächsten. Sie fordert den geringsten Aufwand an Material. Kirchmairs Zeichnungen scheinen über das Papier zu schweben. Man sieht keine Gegenstände auf diesen Blättern, eher Ahnungen von Natur,  aufs Blatt gehaucht. Auch die Blaupausenzeichnungen – Monotypien – sind aus dem Gedanken geboren, mit wenig viel zu sagen und keinen unnützen Ballast zu produzieren.

Anton Kirchmair, der Minimalist, bringt eine ganze Ausstellung in einem Aktenkoffer unter. Das ist ein Charakteristikum seiner Arbeiten, auch der Skulpturen – sofern man überhaupt noch von Skulptur sprechen kann, wo das Wort doch so wuchtig klingt: der Materialaufwand wird so gering wie möglich gehalten, der Denkaufwand und der geistige Gehalt hingegen sind umso dichter. Alles ist hier perfekt, passgenau und stimmig, wenn auch der Künstler selbst der Ansicht ist, seine Arbeit aus dem Chaos heraus zu entwickeln. „Letztlich“, meint Laudatorin Josephine Gabler, Leiterin des Museums Moderner Kunst Passau, sei Kirchmair auf der „Suche nach der perfekten Skulptur, die all seine Intentionen in sich vereinen muss: Leichtigkeit, Zeichenhaftigkeit, Raumordnung, Sinnlichkeit und Festigkeit.“

Der letzter Coup dieses Meisters der Reduktion und der feinen Linie passt nahtlos ins Konzept: Der Roman „3 Silben“ entstammt seinem eigenen Leben. Er hat ihn solange überarbeitet und zurechtgeschliffen, bis jedes einzelne Wort passgenau stimmte –so passgenau, wie die Linien, die sich zu Zeichnungen zusammenrotten und die Hölzer, die er zu Skulpturen fügt. Die fünfzig Exemplare des Buches wurden von Hand gefertigt, die Typographie ein Genuss, die Haptik des Papieres ebenso. Da wird man wieder daran erinnert, was ein Buch alles sein kann, zum Anfassen, zum Lesen, zum Riechen. Man würde das vergessen, gäbe es nicht Künstler wie Anton Kirchmair, die uns zeigen, wo der Wert der Dinge liegt.

Die Preisverleihung findet am 16.2. in Freyung-Grafenau statt.

Ines Kohl

Mein Dank an die Autorin und die Landshuter Zeitung

in der dieser Artikel am 12. Januar 2013 erschienen ist.