Die Kunst des Wesentlichen

Toni Kirchmairs Werkzyklen im Straubinger Schlachthof als Gesamtkunstwerk


Was ist Verpackung, was ist Inhalt? Toni Kirchmair reflektiert und philosophiert in einer großen Ausstellung im Straubinger Schlachthof über „Tara - über den Stand der FDinge“ Drei Werkzyklen verbindet er in perfekter raumästhetischer Präsentation zu einem Gesamtkunstwerk, das sich bis Weihnachten ständig verändern wird.


Raumbeherrschend sind eine Vielzahl weißer eleganter Stelen auf denen schlicht in Zeitungspapier gehüllte Päckchen balanzieren. Nach und nach werden sie ausgepackt, die demontierten Reststücke von Kirchmairs gigantischem „Kirchenschiff“ (Landshut 2006) sichtbar. Der Ausstellungsraum verwandelt sich - passend zur Weihnachtszeit - in ein Aktionsfeld, in dem der Prozess des Entpackens die Flüchtigkeit der Konsumwelt und gleichzeitig die Tiefe des Wesentlichen vermittelt, in der die Verpackung als vermeintliches Kunstwerk irritiert,

das Entpackte sich als Fragment eines größeren nicht fassbaren Ganzen präsentiert.


Das Auspacken, zuerst das Zeitungspapier, darunter eine Lage Kohlepapier, wird in einer Serie großformatiger Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentiert und um eine weitere Bedeutungsebene erweitert. Durch das Umfalten entwickelt sich ein formales Eigenleben. Papier bekommt die Aura von Skulpturen mit steinartigen Oberflächen

und verschatteten, geheimnisvollen Innenräumen: „ Tara“, eigentlich die Differenz zwischen Brutto- und Nettogewicht, wird zur magischen Formel für die dunkle Seite des Seins.


Diese ungewöhnliche Kraft aus dem Flüchtigen ins Wesentliche vorzudringen findet der Betrachter auch in Kirchmairs Monotypien. Teilweise flach auf Stelen, exzellent beleuchtet, fordern sie wie ein Buch das Näher-

kommen und konzentriertes Einlassen auf die Dinge, in Kirchmairs Philosophie auf die Natur, deren

archaisches Spannungsfeld sich in den subtilen Linienfeldern entwickelt.


In diesem perfekt inszenierten Umfeld mutiert eine simple große Kiste auf Stelen zum Schrein philosophischer Sinnsuche. Der Warenwert ist nicht der ware Wert.


Michaela Schabel  Passauer Neue Presse 11. 12. 2010

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